Legenden

Der ungerechte Stadthalter


Einst hatte der Statthalter von Myra Bestechungsgelder angenommen und befohlen, drei Bürger der Stadt durch das Schwert töten zu lassen. Bischof Nikolaus wurde von einer Reise eilig zurückgerufen, um den ungerecht Verurteilten zu helfen. Doch diese waren bereits auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte. Schnell lief der Bischof hin. Der Scharfrichter hielt sein Schwert schon in der Hand. Nikolaus sprang zu ihm hinauf, entriss ihm das Schwert und schleuderte es weit fort. Er befreite die Gefangenen und brachte sie in die Stadt zurück.


"Ich bin bereit, an Stelle der Unschuldigen zu sterben", rief er. Keiner wagte es, ihm entgegen zu treten.
Nun eilte der Bischof zum Stadthalter und pochte an dessen Tor. Dieser kam heraus und begrüßte ihn mit einem Kniefall. Doch Nikolaus sagte wütend: „Obwohl du Unschuldige töten lässt, kommst du mir unter die Augen! Ich werde deine Verbrechen dem Kaiser melden!"


Da flehte der Stadthalter den Bischof an: "Nicht ich bin schuldig, sondern meine Beamten, die eine falsche Anklage erhoben haben."


Doch Nikolaus erwiderte: "Nichts davon! Zweihundert Goldpfund hast du angenommen, um dafür diese drei Männer gemein zu beseitigen." Und er brachte den Stadthalter dazu, seine Schuld einzugestehen und das Recht wiederherzustellen.

Bild an der St. Nikolai-Kirche Stralsund
Bild an der St. Nikolai-Kirche Stralsund

Die drei armen Mädchen


Als Nikolaus noch sehr jung war, lebte er in einem schönen Haus mit großem Garten ganz allein. Seine Eltern waren schon sehr früh gestorben. In der Nähe stand ein altes, nicht mehr so schönes Haus. Darin wohnte ein Mann mit seinen drei Töchtern. Eines Tages, als Nikolaus an dem Haus vorbeiging hörte er wie der Vater zu seinen drei Töchtern sagte: "Ich weiß, dass jede von Euch einen Freund hat. Ihr könnt aber nicht heiraten, weil ich kein Geld mehr habe. Ihr wisst ja, dass wir früher ein rechtes Vermögen hatten. Leider haben wir durch schlechte Geschäfte und Räuber alles verloren." Da sagte die jüngste Tochter: "Vater, du kannst ja mich als Sklavin oder Dienstmagd verkaufen, dann können wenigstens meine Schwestern heiraten." Der Vater erschrak vor diesem Vorschlag und meinte, dass so etwas nicht in Frage käme.


In der nächsten Nacht klirrte es auf dem Boden in der Wohnung. Am Morgen fand die älteste Tochter im Zimmer ein Säcklein. Sie öffnete es und es war voller Goldmünzen. Sie lief damit zum Vater und zeigte es ihm.
Der Vater traute seinen Augen kaum und meinte dann: "Das hat uns der Himmel geschickt, jetzt kannst du heiraten."


So ging es in der nächsten Nacht wieder. Nun konnte auch die zweite Tochter heiraten. In der dritten Nacht versuchte der Vater wach zu bleiben, um zu sehen, wer ihr Wohltäter sei. Er schlief fast ein.

 

Mitten in der Nacht erwachte er, als es wieder auf dem Boden klirrte. Er lief schnell hinaus und erwischte seinen Wohltäter gerade noch. Nikolaus war es. Der reiche junge Mann aus der Nachbarschaft. Der Vater wollte sich bedanken, aber Nikolaus bat ihn, er solle es ja niemand erzählen. Am Morgen sagte der Vater der jüngsten Tochter, dass auch sie jetzt heiraten könne. Die Töchter fragten daraufhin den Vater, ob er wirklich nicht wisse, wer Ihnen die Goldsäcklein geschenkt habe. Der Vater wollte seine Töchter nicht belügen. So erzählte er ihnen. was er in der Nacht vorher erlebt hatte und bat auch sie, es nicht weiter zu sagen.


Die Mädchen konnten jetzt heiraten und jede freute sich sehr darüber.
 

Der Nikolaus vor einer Kirche
Der Nikolaus vor einer Kirche

Figur des Nikolaus
Figur des Nikolaus

Die Bischofswahl


In Myra war der alte Bischof gestorben. Man brauchte einen Nachfolger. Die Nachbarbischöfe kamen zusammen, um über einen Kandidaten zu beraten. Man redete hin und her, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.

 

In der allgemeinen Unsicherheit schlug einer der Bischöfe vor, die Sitzung zu unterbrechen und wie früher wie vor jeder weiteren Beratung um einen guten Bischof zu beten. Manfolgte dem Wort und beschloss den Tag mit dem Gesang der Vesper. In der folgenden Nacht hörte einer der Bischöfe eine Stimme, die ihn aufforderte: "Geh vor Tag in die Kirche und stell dich an die Tür im Vorraum. Wer dann am Morgen als erster die Kirche betritt, den halte fest. Sein Name ist Nikolaus (d.h. der Sieg des Volkes Gottes). Weiht ihn zum Bischof für Myra." In der nächsten Versammlung teilte er mit, was er im Traum gehört hatte und alle waren einverstanden, der Stimme zu folgen.


Er führte selbst den Auftrag aus. Während die anderen in der Kirche beteten, wartete er an der Tür des Atriums. Im Morgengrauen kam ein Mann, um zu beten. Der Bischof begrüßte ihn und fragte nach seinem Namen. Etwas verlegen sagte er, er sei Nikolaus, ein Bürger von Myra. "Komm mit mir.", sagte der Bischof, "ich habe dir etwas zu zeigen." Und er führte ihn zu der wartenden Versammlung der Bischöfe und Priester, die ihn sogleich als neuen Bischof von Myra begrüßten. Zur Gottesdienstzeit stellten sie ihn in der Kirche dem ganzen Volk vor und berichteten, was geschehen war. Die Versammelten vertrauten ihnen. Viele kannten Nikolaus schon. Sie ließen ihn erfreut den Bischofsstuhl einnehmen und bald sagte man: "Er trägt seinen Namen zu recht."


aus: Roman Mensig, "Nikolaus von Myra", editions du signe, Strassburg o.J


Wie Sankt Nikolaus einem Menschen ein neues Herz gegeben hat


Es lebte einst in Myra ein wohlhabender Kaufmann. Obwohl es ihm gut ging, war er nicht zufrieden mit dem, was er besaß. Man weiß ja, oft ist es so, je mehr einer hat, umso mehr will er zusammenscharren. Eines Tages begegnete ihm der Teufel. Der bot dem Kaufmann an, ihn über alle Maßen reich zu machen. Das einzige, was er dafür tun müsse, sei ihm sein Herz zu geben. Er, der Teufel, versprach ihm stattdessen ein Herz aus Stein. "Denn ein so ein steinernes Herz musst du haben, wenn du unermesslich reich werden willst", schloss er seine Rede.
Der Kaufmann willigte ein. Von nun an war sein ganzes Denken und Sinnen darauf gerichtet, seinen Reichtum zu mehren und Schätze anzuhäufen. Er verlieh oft Geld zu Wucherzinsen an Menschen, die in Not geraten waren, und trieb ihre Schulden nach der vereinbarten Zeit mit aller Härte ein. Er scherte sich nicht darum, wenn die Menschen Haus und Hof verloren und den Bettelstab nehmen mussten. Es kam, wie der Teufel versprochen hatte, der Kaufmann wurde bald der reichste Mensch weit und breit.
Aber die Zahl seiner Feinde wuchs. Schließlich scheute sich jeder, mit diesem Menschen zu tun zu haben. Sie gingen ihm aus dem Wege. Der Kaufmann verlor selbst seine besten Freunde und wurde sehr einsam. Er spürte, dass Geld und Gut in einem Menschenleben längst nicht alles ist, und das steinerne Herz lag ihm schwer in seiner Brust. Traurig lief er durch die Straßen. Da begegnete ihm der Bischof Nikolaus.
"Was bedrückt dich, Bruder?" fragte er den Kaufmann. Der erzählte ihm sein Leid.
"Es gibt eine einfache Medizin, die dich heilen kann", sagte Nikolaus. "Aber wie manche gute Medizin wird sie dir bitter schmecken."
"Ich würde dir für eine solche Medizin geben, was immer du verlangst", versprach der Kaufmann eifrig.
"Ich, mein Lieber", sagte Nikolaus, "ich brauche nichts von dir, Aber geh zu den Armen, zu den Kranken, zu denen, die Kein Hau haben und in Not sind. gib denen von deinem Überfluss und lindere ihre Leiden. Dann wird dien steinernes Herz mehr und mehr schmelzen."
nikolausstiefel3Es fiel dem Kaufmann zunächst schwer, dem Rat des Heiligen zu folgen. Aber dann versuchte er es, erst heimlich und bei Nacht. Er schlich sich zu den Häusern der Armen und legte ihnen einige Geldstücke vor die Haustür. Er gab denen, die keine warme Kleidung besaßen, von seinen eigenen Kleidern etwas ab. Wer Hunger leiden musste, der fand einen Korb mit Brot und Fleisch vor seinem Haus; ja er ließ kleine Häuser bauen und überließ sie armen Familien mit Kindern, ohne einen Mietzins von ihnen zu verlangen. Sogar ein Haus für die Kranken stiftete er. Bald schon hatten die Leute in Myra den erkannt, der vielen eine Hilfe wurde. Von Mal zu Mal fiel es dem Kaufmann leichte, sich von seinen Schätzen zu trennen. Er spürte, wie es ihm wärmer ums Herz wurde. Als er all seinen Reichtum weggegeben hatte, war auch sein steinernes Herz verschwunden, und ein Menschenherz schlug wieder in seiner Brust.
Nun dachte der Kaufmann voller Furcht, ich habe nichts mehr, was ich weggeben kann. Bald wird mich keiner mehr lieben. Aber es kam ganz anders. Er wurde oft eingeladen, ja, sogar die Armen teilten ihr Brot mit ihm, und er hatte viele Freunde in der Stadt.
Als er in Frieden starb, ging jeder, der laufen konnte, mit seinem Leichenzug, und tausend Zungen lobten seine guten Taten. Bischof Nikolaus hielt ihm die letzte Predigt und sagte, er wisse sicher, dass diesem Mann die Himmelstür offenstehe; denn Jesus selbst habe es ja gesagt: Was ihr dem geringsten meiner Brüder und Schwestern tut, das habt ihr mir getan.


aus: Roman Mensig, "Nikolaus von Myra", editions du signe, Strassburg o.J

Bild des Hl. Nikolaus in einer privaten Kapelle in Hövelhof
Bild des Hl. Nikolaus in einer privaten Kapelle in Hövelhof